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Lesung „Lauf, Mädchen, lauf!“


Der Balkankonflikt aus Sicht einer Zeitzeugin am Gymnasium Zwenkau: Mirsada Simchen-Kahrimanovic berichtet in ihrer Autobiografie vom Kindheitstrauma durch den Krieg in ihrer Heimat und setzt ein Zeichen für Völkerverständigung und Frieden.

Gleich beim ersten Angriff auf ihr bosnisches Dorf wird ihr Vater ermordet. Mirsada Simchen-Kahrimanovic selbst wird mit Mutter und Schwester im Lager Trnopolje inhaftiert. Hier erlebt die 13-Jährige Terror und sexuellen Missbrauch der gefangenen Frauen durch serbische Soldaten.
 

Die Autorin sitzt an einem Tisch und schaut ins Publikum.
Für die Autorin Mirsada war es die erste Lesung an einer Schule. Foto: Katja Kaltofen/DPFA
Blick von hinten über das Publikum.
Für die Autorin Mirsada ist es die erste Lesung an einer Schule. Foto: Katja Kaltofen/DPFA


„Ich erfuhr im Frühjahr 2022 vom Vorhaben Mirsadas, mit dem Buch über ihre Lebensgeschichte in Schulen zu gehen, um junge Menschen über den Balkankrieg in den Neunziger Jahren aufzuklären und darüber zu sprechen, dass es auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch Konzentrationslager in Europa gab“, berichtet Catrin Liebold, Hauptgeschäftsführerin der DPFA Akademiegruppe und fährt fort: „. Bei diesem Vorhaben wollte ich sie unbedingt unterstützen und lud sie zur Lesung an unser Zwenkauer Gymnasium ein.“ Vor Ort an der Schule haben Susann Sittel-Felix und Stefan Weicker, beides Lehrkräfte aus dem Bereich Geschichte, die Organisation und Vorbereitung der Veranstaltung übernommen.

Während der anderthalbstündigen Lesung vor den Gymnasiast:innen der 10. Klassen setzt die Autorin wichtige Schwerpunkte: ethnische Vertreibung, Integration, schlussendlich aber auch Vergebung und Versöhnung. Zu jedem dieser Themen liest sie passende Zeilen aus ihrem Buch und berichtet von eigenen, bedrückenden, aber auch Mut stiftenden Erfahrungen. Immer wieder haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Fragen zu stellen und mit der Autorin ins Gespräch zu kommen. Es ist ihr gelungen, die drastischen Auswirkungen von Krieg auf die Menschen und die Menschenrechte aufzuzeigen.

Mirsada Simchen-Kahrimanovic wird in keiner Minute müde, die Jugendlichen zu ermutigen, für ein friedliches Miteinander, Integration und Toleranz einzutreten. Catrin Liebold schätzt noch einen weiteren Aspekt: „Ich bewundere ihren Mut, ihre Lebensgeschichte mit uns zu teilen und insbesondere jungen Menschen nahezubringen, wie verletzlich und überhaupt nicht selbstverständlich der Frieden ist.“
 

Gruppenfoto mit der Autorin, einigen Schülerinnen und Catrin Liebold.
Ein großes Anliegen ist es der Autorin, den jungen Menschen zu zeigen, dass sie etwas aus sich machen können, wenn sie nur wirklich wollen. Foto: Katja Kaltofen/DPFA


Grit Haubold, Lehrerin für GRW (Gesellschaft-Recht-Wirtschaft) am Gymnasium in Zwenkau, hatte sich vor der Lesung mit den Jugendlichen ganz rational mit der Geschichte und den Ursachen für die unterschiedlichen Balkankonflikte auseinandergesetzt. „Die emotionale Seite sollte dann durch die Lesung ergänzt werden“, erzählt sie und fügt hinzu: „Während der Auswertung im Nachgang konnte ich feststellen, dass vielen das Thema näher ging, als es zunächst den Anschein hatte. Viele Schülerinnen und Schüler äußerten auch, dass das Thema ‚Krieg in Jugoslawien‘ in der Schule mehr Beachtung finden müsse, da sich der Balkan auch in der Nähe zu Deutschland befindet und damit nicht nur zu Europa gehört, sondern auch wir die Auswirkungen spüren.“
 

Die Autorin Mirsada und Catrin Liebold posieren vor einem Aufsteller, der das Buch-Cover zeigt.
Catrin Liebold unterstützt Mirsada bei ihrem Vorhaben, ihr Buch in den Lehrplan von Schulen aufnehmen zu lassen: „Auch ich brenne für das Brückenbauen zwischen Ländern, Kulturen, Religionen und Menschen.“ Foto: Katja Kaltofen/DPFA


Die Lehrerin resümiert abschließend, was für sie das wichtigste Ergebnis der Lesung ist: „Das Buch von Frau Simchen-Kahrimanovic hat den Jugendlichen vor allem einen Gesprächsanlass gegeben, um über die Themen Flucht, Vertreibung und Menschenrechte zu diskutieren und über ihre persönliche Haltung in diesem Zusammenhang nachzudenken.“ Nur durch Austausch mit „Betroffenen“ könnten komplexe Sachverhalte, wie etwa Krieg und Flucht überhaupt verstanden und reflektiert werden und in der Folge dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, fasst Grit Haubold zusammen.


Exkurs:

Im Frühjahr 1992 spitzt sich die Lage in der zentraljugoslawischen Republik dramatisch zu. Bosnien-Herzegowina erklärt seine Unabhängigkeit von Jugoslawien. Als Antwort darauf beginnen serbische Einheiten sogenannte »ethnische Säuberungen« unter der bosniakischen Bevölkerung.